Pressespiegel

16.07.2018 08:02 Alter: 6 yrs

„Total beklopptes Projekt“ begeistert im Meilenstein

Jan-Henrik Gruszecki wird für seinen bemerkenswerten BVB-Film „Am Borsigplatz geboren“ gefeiert. Danach spricht der Regisseur über „totale Leidenschaft“ und seine private Borussia-Historie. 

Schwarzgelbe Leidenschaft auch in der Sommerpause: Im „Meilenstein“ sahen sich einige Martener den Film „Am Borsigplatz geboren“ an, in dem es um die Gründungsgeschichte von Borussia Dortmund geht.

Der Dortmunder Filmemacher Jan-Henrik Gruszecki freut sich über das anhaltende Interesse an seinem Film.

Moderator Peter Schiefelbein leitet am Freitag in einen historischen Abend der besonderen Güte ein: „Ohne ihn hätte es DFB-Pokale, Deutsche Meisterschaften,

Champions League und Weltpokal nicht gegeben“, sagt er. „Ohne den Mut und die Willensstärke von Franz Jacobi und seine Mitstreiter wäre es nie zur Gründung des BVB gekommen, hätte es die tollen Erfolge nicht gegeben.

Im Meilenstein, der Martener Nachbarschafts-Werkstatt in der Straße „In der Meile“, zeigt Regisseur Jan-Henrik Gruszecki in seinem mit Marc Quambusch und Gregor Schnittker gedrehten Film, wie dramatisch die Gründung des späteren Weltpokalsiegers im Jahre 1909 war. So passt die Präsentation des laut Gruszecki

„total bekloppten Projekts“ gut ins Meilenstein, dokumentiert er doch selbst einen solchen.

BVB-Widerborstigkeit BVB-Archivar Gerd Kolbe, der in dem 90-minütigen Werk ebenso wie Angehörige der Gründer zu Wort kommt, lobt die „Widerborstigkeit“ der BVB-Mannen, ohne die es den Klub nicht geben würde. Im frühen 20. Jahrhundert gilt die katholische Kirche als Institution, hat das Wort des Kaplans großes Gewicht. Doch gerade dem widersetzen sich Franz Jacobi, Heinrich Unger und ihre 16 Mitstreiter.

Unter Kaplan Hubert Dewald genießen sie als Jugendliche eine Erziehung, die sie sportlich und willensstark macht. Von beidem profitieren sie bei ihrem mutigen Entschluss, einen von der katholischen Kirche unabhängigen Verein zu gründen. Anstatt in die Kirche zugehen, spielen sie am 19. Dezember Fußball, gründen somit am vierten Advent im „Spiegelsaal“ über der Gaststätte „Zum Wildschütz“ in der Oesterholzstraße 60 den Ballspielverein Borussia.

Zufall Borussia

Der Name ist dabei Zufall. Im Raum, in dem sich die jungen Männer versammeln, hängen Werbetafeln der zu dieser Zeit bereits geschlossenen Bierbrauerei Borussia. Da die Anwesenden keinen nationalistischen Anstrich, wie Germania, mögen, kommt ihnen der Zufallstreffer an der Wand gerade recht. Der Zusatz

Borussia wird benötigt, da es schon einen Ballspielverein, den von 1904, gibt.

Den zur Gründungsversammlung hereinstürzenden Kaplan schubst Franz Jacobi an der Tür und die Treppe hinunter, ein für die damalige Zeit ungeheuerlicher Vorfall. Wie auch die Abspaltung von der Kirche, die selbst Leichtathletik anbietet, Wert auf geistige und körperliche Ertüchtigung legt.

Diese Dramatik stellt der Dokumentarfilm ebenso dar wie die ersten Spiele der damals noch in blau-weiß gestreiften Trikots mit roter Schärpe auflaufenden Borussen und Szenen aus Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Erst 1913 erfolgt der Wechsel zu schwarz-gelb, der „schönsten Farbe der Welt“, wie es im Film

heißt.

Emotional dokumentiert

Diese sehr persönliche Einschätzung verdeutlicht, dass der gut recherchierte Film mit seiner Stadt- wie Fußballgeschichte nicht nur objektives Historien-Dokument, sondern emotional sein will. So emotional wie die Entstehung dieses einzigartigen Dokuments einer außergewöhnlichen Vereinsgründung. „Viele

Fans haben viel Zeit aufgewendet, ehrenamtlich Archive durchforstet und die Stammbäume der Vereinsgründer zusammengestellt“, dankt der Filmemacher.

„Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen.“ Eine Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk kam daher ebenso nicht infrage wie eine Komplettfinanzierung durch den BVB oder Sponsoren. „Ich wollte einen Film machen, der emotional ist und bei dem mir keiner reinredet“, sagt Jan-Henrik Gruszecki nach der Filmvorführung. So habe man eine Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) ins Leben gerufen, die die Kosten von 259.000 Euro deckt. Dafür werden die Geldgeber im gleichfalls sehr sehenswerten Abspann erwähnt und erhalten eine limitierte Unterstützer-Edition. Der BVB beteiligt sich ebenfalls. „Die

Unterstützung des Vereins war sehr gut“, lobt Gruszecki. „Wir brauchten nur anrufen und schon wurde uns geholfen.“ Wie auch bei der Umbettung des bei pflegenden Angehörigen in Salzgitter verstorbenen Vereinsgründers. „Das Grab von Franz und Lydia Jacobi war schon eingeebnet“, blickt er zurück, „als mir die Idee kam, ihn in Dortmund bestatten zu lassen.“ So kommt es 2013 zur würdigen Beerdigungszeremonie mit Beisetzung auf dem Südwest-Friedhof, auf dem auch den anderen Gründern mit je einer Stele gedacht wird.

Wahre „Echte Liebe“

„Echte Liebe“ ist für Jan-Henrik Gruszecki nicht nur ein Slogan, sondern gelebte Historie. Dies wird im Gespräch mit den Gästen im Meilenstein deutlich. Als Vierjähriger durch den 4:1-Pokaltriumph 1989 gegen Werder Bremen infiziert, widmet er sich Schwarzgelb und dem Ballsport. „Wenn ich morgens aufstehe,

denke ich gleich an Fußball“, gesteht der Familienvater, der seine Tochter Paula noch vor dem Eintrag ins Geburtenregister beim BVB angemeldet hat. „Zudem wohne ich in der Oesterholzstraße 60, im ehemaligen Spiegelsaal des Wildschütz´.“ Das ist kein Witz. Bei der Zwangsversteigerung kratzt er sein Erspartes zusammen und kauft die Wohnung über der ehemaligen Gründer-Kneipe. Das ist wahre „Echte Liebe“, die die Fans im Meilenstein begeistert.

Der Film „Am Borsigplatz geboren - Franz Jacobi und die Wiege des BVB“ konnte mit der Unterstützung von 2989 ehrenamtlichen Helfern , Spendern und Sponsoren sowie dem BVB günstig realisiert werden.

An den 19 Drehtagen an vorwiegend Originalschauplätzen setzten 63 Schauspieler und Statisten die Dokumentation in Szene. Angehörige der Gründer gewähren sehr persönliche Einblicke.

RN vom 16.7. 2018/ Bietmar Bock/ Fotos: S. Schütze

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